Anschlag in Wien: In Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen

„Wien, Wien nur du allein, sollst stets die Stadt meiner Träume sein.“ Kennen Sie diesen alten Schlager, dieses Liebeslied auf unsere Hauptstadt? Für heutige Ohren mag der Text sentimental, beschönigend, anachronistisch erscheinen. Er drückt die Sehnsucht nach einer heilen Welt aus. Dieser Schlager hat einen Schlag versetzt bekommen. Die Traumstadt  hat einen Albtraum erlebt. Die verträumten Beisln wurden in einen Schauplatz der Bedrohung, die beliebte Ausgehmeile in ein Stadion des Schreckens verwandelt. Der Traum ist erschüttert. Der Traum von einem toleranten und multikulturellen Miteinander scheint geplatzt. Die Hyänen der Verurteilung und der rachsüchtigen Revanche sind kaum zu bändigen. Von einem Angriff auf die Demokratie und Freiheit war und ist da die Rede. Ich wage zu sagen: Demokratie und Freiheit sind stabil. Alle staatstragenden Kräfte und der Großteil der Menschen in unserem Land stehen zu diesem wertvollen Gut. Und es ist unser aller Dauerauftrag, diese Kostbarkeit achtsam zu schützen. Es war ein verheerender Angriff einer Person auf Mitmenschen. Jede Entpersonifizierung und Zuschreibung auf dunkle Kräfte würden noch mehr Angst und Unsicherheit verbreiten. Ganz Wien träumt vom Frieden. Friedenstifter suchen nach Ursachen und wollen das Unheimliche, Schreckliche verstehen lernen. Nur so werden Eskalationen angehalten und versöhnliche Wege angebahnt. Gewalt und Terror sind mitunter das Echo auf die zerstörerischen Misstöne der Finanz-, Kriegs-, Erdöl- und Nahrungsmittelindustrie. Millionen unschuldige Opfer zeugen davon. Frieden beginnt mit dem Respekt. Nicht zuletzt mit dem Respekt vor dem, was anderen lieb und heilig ist. Frieden und Liebe brauchen Entängstigung. Lieben ist eine Mutprobe. Wird die Furcht vor Enttäuschung überwunden, blüht die Rose der Befreiung. Wenn sich Gleichwürdigkeit und Geschwisterlichkeit dazu gesellen, darf Wien wieder träumen. Von der Liebe. Einer Liebe, die größer ist als der Hass. Das morgige Sonntagsevangelium endet mit dem Satz: „Wir wissen weder Tag noch Stunde.“ Dieser Verweis auf die Endlichkeit des Lebens führt mich zu den Schlussfragen unseres Lebens: Wem muss ich vergeben, wen um Vergebung bitten?" - Georg Schärmer, Direktor Caritas der Diözese Innsbruck