Altenhilfe neu denken

Auf Einladung des Caritas Bildungszentrums für Sozialberufe diskutierte gestern eine Expertenrunde vor Publikum über den Stellenwert der mobilen Betreuungs- und Pflegedienste im Gesamtkonzept gegenwärtiger und zukünftiger Altenhilfe. Caritasdirektor Georg Schärmer unterstrich in seiner Begrüßung die sozialen Innovativkraft, die vor 40 Jahren von der flächendeckenden Gründung der Gesundheits- und Sozialsprengel ausging. Damals wurde der Grundstein für die heutige mobile Altenhilfe in Tirol gelegt. Erfreulich sei auch die veränderte Einstellung der Familien gegenüber mobilen Pflegediensten. Während früher das Inanspruchnehmen von professioneller Hilfe als persönliches Versagen gesehen wurde, ist die Bereitschaft, sich Unterstützung zu holen, sehr gewachsen.

 Landesrat Gerhard Reheis betonte angesichts der demografischen Entwicklung die „vielfältige Herausforderung, die uns begleiten wird und für die es keine schnelle Lösungen gibt“. Allerdings sei mit dem soeben fertiggestellten Strukturplan PFLEGE 2012 – 2022 „ein Fundament für die nächsten 10 Jahre geschaffen“ worden. Dieser Strukturplan sieht u.a. einen Ausbau der Mobilen Dienste um 40% vor. Gleichzeitig wolle das Land Tirol auf präventive Maßnahmen setzen. Derzeit werde der Einsatz von ‚Mobilen SeniorenberaterInnen’ erprobt, die in der sozialen Altersvorsorgeberatung von 500 Tiroler SeniorInnen zum Einsatz kommen sollen.

 Für die Geschäftsführerin des SGS Lienz-Thurn, Frau Mag. Elisaebeth Kreuzer, besteht die Herausforderung vor allem darin, dass die Zahl der pflegenden Angehörigen weniger wird. Ein weiterer Grund – neben der demografischen Entwicklungs – dass der Bedarf an professionellen HelferInnen sehr im Steigen ist. Der SGS Lienz-Thurn verstehe sich als „soziale Drehscheibe“, Angehörigenberatung und –entlastung zählen zu den zentralen Aufgaben. Die MitarbeiterInnen fungieren als sogenannte CaseManager, d.h. sie erarbeiten gemeinsam mit jeder betroffenen Familien/ Einzelperson die jeweils beste und machbare Betreuungslösung. Über das Angebot von monatlichen Seniorenwandertagen versucht man schon vorzeitig, Berührungsängste zum Sozialsprengel abzubauen. Und auch die Zusammenarbeit und der Wissenstransfer der Sozial- und Gesundheitssprenel untereinander soll verstärkt werden.

 Der Politologe und Rechtssoziologe Univ.-Prof. Nikolaus Dimmel von der Universität in Salzburg fordert in seinen Statements vor allem strukturelle Verbesserungen:

Veränderung des Leistungszugangs: Recht auf Hauskrankenpflege sowie Haushaltshilfe

Strukturvereinfachung durch Zusammenlegung von Sprengeln

Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen Mobiler Dienste

Vertragssicherheit für 5-10 Jahre und auch gleiche Vertragskonditionen für die Träger Mobiler Dienste.

Von Seiten der Landesverwaltung sollten die Leistungsträger keinesfalls konkurrent zueinander gesteuert werden. Anzustreben sei viel mehr eine „geplante Sozialwirtschaft“, d.h. eine regionale Aufteilung der mobilen Versorgung unter den Anbietern mit dem Vorteil der One-Desk-Beratung und -Betreuung für die einzelnen Familien.

Frau DGKS Andrea Scholz, Pflegedienstleiterin des SGS Untere Schranne und Obfrau der Plattform Mobile Pflege bestätigt den steigenden Bedarf Mobiler Pflegedienste auch und gerade aufgrund früherer und schnellerer Entlassungen aus dem Krankenhaus. Im Interesse der unterschiedlichen KlientInnen-Bedürfnisse fordert sie verschiedenste Wohnformen und Unterstützungsangebote für alte Menschen in einer Region. Es sei zuwenig, wenn der einzelne nur zwischen Altenwohnheim und Hauskrankenpflege wählen könne. Caritas-Direktor Georg Schärmer verstärkte diese Forderung mit einer wünschenswerten Sozialraum-Entwicklung in den Tiroler Gemeinden.    

Die zahlreich anwesenden EinsatzleiterInnen Mobiler Dienste waren sich mit den geladenen PodiumsdiskutantInnen darüber einig, dass der Gewinnung zusätzlicher MitarbeiterInnen absolute Priorität eingeräumt werden müsse. Der Beruf der mobilen Betreuung und Pflege (Diplom-KrankenpflegerInnen, Diplom-SozialbetreuerInnen, PflegehelferInnen, HeimhelferInnen) müsse durch verschiedene Maßnahmen – Bezahlung, Arbeitszeitmodelle, Arbeitsausstattung, 2. Bildungsweg, Imagepflege – attraktiver gemacht werden.