Ein Mädchen hält ein Heft mit selbstgemalten Bildern hoch.

© Anna Hakobyan/ Caritas Armenien

Das Haus Sabine: Nach einer Tirolerin benannt

Dieses Haus ist mit der Geschichte einer Tiroler Familie eng verbunden. Renate und Dietmar Paregger haben die Gründung finanziert und über viele Jahre auch den Betrieb des Hauses. Und zwar mit Mitteln, zu denen sie wegen eines Schicksalsschlags gekommen sind und die sie nicht selbst verwenden wollten. Ihre Tochter Sabine war eines der Opfer bei der Massenpanik 1999 am Bergisel. Bei einer Snowboard-Veranstaltung sind damals fünf Jugendliche ums Leben gekommen und mehrere verletzt worden. Sabine selbst erlitt als 18-Jährige schwerste Verletzungen und fiel ins Wachkoma. Ihre Eltern pflegten sie zu Hause, bis sie 2014 verstarb.

Der Familie wurden Entschädigungszahlungen zugesprochen. Sabines Mutter Renate Paregger: „Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir Geld bekommen und wollten etwas damit machen, worüber sich Sabine freuen würde“. Die Eltern wussten, dass Sabine Entwicklungshelferin werden wollte. Ihre Mutter sagt: „Das war ihr Traum“.

So suchten sie nach einem passenden Projekt und wurden nach einer sorgfältigen Recherche bei der Caritas Tirol fündig. Der Plan für die Kinder- und Jugendwohngemeinschaft in Armenien hat Sabines Eltern gleich angesprochen: „Mit der Finanzierung des Hauses haben wir uns selbst eine Riesenfreude gemacht“. Bei der Eröffnung 2018 waren beide Eltern vor Ort und konnten sich überzeugen, dass das Geld bestens verwendet wird: „Es wurden kompetente Leute angestellt, die dort mit viel Liebe arbeiten“.

Das Haus Sabine hat neben den Zimmern für die Bewohner:innen auch Gemeinschaftsräume, eine Werkstatt und einen Garten. Der Garten liegt den Pareggers aus einem bestimmten Grund besonders am Herzen. Renate erzählt: „Bei der Eröffnung haben wir einen Baum für Sabine gepflanzt“.
Mittlerweile ist das Geld, das Familie Paregger so großzügig zur Verfügung stellte, aufgebraucht. Der Erhalt des Hauses hängt nun an Subventionen und Spenden von Privatpersonen. Renate Paregger: „Uns liegt viel daran, dass der Gedanke weiterlebt und das Haus weiterhin so gut geführt wird“.

Caritas engagiert sich für Kinder in Armenien

In Armenien sind 602 Kinder in großen Heimen untergebracht – viele von ihnen ausschließlich aus Armutsgründen. Die Caritas Tirol hilft mit, dass diese Zahl stetig kleiner wird. Denn das Leben in diesen Einrichtungen wirkt sich oft negativ auf die Entwicklung der Kinder aus. Die meisten von ihnen würden lieber in einem familiären oder familienähnlichen Umfeld aufwachsen. Der armenische Staat plant daher die Schließung von großen Institutionen. Für jene Kinder, die nicht in ihre Herkunftsfamilien integriert werden können, müssen alternative Betreuungsangebote geschaffen werden, die ihnen ein sicheres Aufwachsen ermöglichen.

Deshalb hat die Caritas Armenien gemeinsam mit der Caritas Tirol 2016 das Haus Sabine eröffnet. Es ist eine Kinder- und Jugendwohngemeinschaft. Aktuell leben dort acht Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 17 Jahren. Betreut werden sie von fünf Pädagoginnen, einer Sozialarbeiterin und einer Psychologin. Außerdem verwaltet eine Leiterin das Haus. Caritas-Direktorin Elisabeth Rathgeb betont, dass kleine, gut betreute Wohneinheiten die Entwicklung von jungen Menschen fördern: „Alle Kinder haben ein Recht auf ein sicheres Zuhause, auch wenn es keine elterliche Fürsorge gibt. Die kleine Gruppengröße bietet den Kindern ein familienähnliches Umfeld. Geschwisterpaare werden nicht getrennt“.

Im Haus wird großer Wert auf den Kontakt mit den Eltern oder anderen Verwandten gelegt. Die Arbeit der Betreuer und Betreuerinnen zielt darauf ab, die Kinder auf ein Leben nach der Kinder- und Jugendwohngemeinschaft vorzubereiten. Entweder sie können irgendwann wieder zu ihren Familien zurückkehren oder sie sind erwachsen und in der Lage ein eigenständiges Leben zu führen.
Im Haus Sabine wachsen die Kinder in einer familiären Struktur auf, die ihrem Zuhause ähnelt. Es wird gelacht, gestritten, gemeinsam gegessen. Sie gehen jeden Tag in die Schule, manchmal gerne, manchmal weniger gerne.

Die Kinder tragen zum Gelingen des Alltages bei und helfen beim Kochen oder Abspülen. Außerdem gibt es einen Garten, der ein weiteres Alltagslernfeld für sie darstellt. Obwohl die neue Umgebung den Kindern ein sicheres Zuhause bietet, müssen die früheren, oft traumatischen Erlebnisse, erst verarbeitet werden. Dabei hilft eine Psychologin, die die Kinder über die Zeit begleitet.

„Ich habe nur einen Wunsch: Hier zu bleiben, bis ich erwachsen bin“

Als Mane (Name geändert) im Sommer 2018 in die neu eröffnete Caritas Wohngemeinschaft Haus Sabine kam, stellte sie die meisten Fragen. Alles war interessant, jedes Detail, denn das für im Waisenhaus lebende Kinder typische Gefühl der Unsicherheit und Angst verfolgte sie. Ihre Eltern hatten sie, ihren jüngeren Bruder und ihre Schwester seit 2014 im Waisenhaus zurückgelassen. Die Beziehung zum Vater war teilweise erhalten geblieben, aber die Mutter war für immer aus dem Leben der Kinder verschwunden.

2018 zog Mane mit ihrer Schwester und ihrem Bruder in die Caritas-WG Haus Sabine und lebt noch immer dort. „Ich bin dem Schicksal so dankbar, dass ich in der schwierigsten Zeit meines Lebens, als meine Eltern nicht bei mir waren, hier ein Zuhause gefunden habe. Ich habe nur einen Wunsch: hier zu bleiben, bis ich erwachsen bin“, sagte sie in einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin.

Im Haus Sabine hat die inzwischen 17-Jährige schon viel gelernt, denn irgendwann muss sie aus dem Haus ausziehen und ein eigenes, selbständiges Leben führen. Die Caritas-Mitarbeiterinnen versuchen, die Jugendlichen im Haus darauf früh genug vorzubereiten. Wie in einer Familie übernehmen die Kinder und Jugendlichen Aufgaben und lernen so Alltagsfähigkeiten, die sie später brauchen können und die ihnen helfen, ihr eigenes Potenzial zu erkennen. Mane interessiert sich besonders für das Nähen. Sie glaubt an ihre Fähigkeiten und blickt zuversichtlich in ihre Zukunft.

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